Wie viel verdient ein Dolmetscher?
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Ich selbst habe die Entscheidung, Dolmetschen und Übersetzen zu studieren, vor 15 Jahren ehrlich gesagt getroffen, ohne mir über mein zukünftiges Gehalt oder meinen Arbeitsplatz Gedanken zu machen.
Für alle die, die die Entscheidung ein bisschen rationaler treffen möchten, gebe ich heute eine Antwort auf die Frage, wie viel man als Dolmetscher eigentlich verdient. Oder verdienen kann.
Eine Sache muss man direkt zum Einstieg deutlich machen: Dolmetscher werden in unglaublich vielen Bereichen eingesetzt und bekommen nicht das eine, allgemeingültige Gehalt. Die Verdienstmöglichkeiten sind im Gegenteil sehr unterschiedlich, deswegen teile ich den Begriff des Dolmetschers in einige Kategorien ein. Das Gehalt der Dolmetscher in Festanstellung lasse ich ganz bewusst außen vor. Es sind verhältnismäßig wenige Dolmetscher fest angestellt und das Gehalt variiert vermutlich wie in jedem anderen Beruf auch stark je nach Position, Arbeitserfahrung usw.
Wir schauen uns also freiberuflich arbeitende Dolmetscher an. Ich habe keinen Anspruch auf Vollständigkeit – diese Kategorien sind, meiner Erfahrung nach, die größten und aus diesem Grund habe ich sie ausgewählt. Außerdem wichtig: Die Zahlen, die ich hier aufzähle, beziehen sich auf meine Erfahrungen in NRW. In anderen Bundesländern können diese noch einmal anders sein.
1. Gerichtsdolmetscher
2. Dolmetscher bei der Polizei
3. Konferenzdolmetscher in der freien Wirtschaft
4. Konferenzdolmetscher bei Institutionen wie der Europäischen Union
5. Dolmetscher im Gemeinwesen (Comunity Interpreting)
Ganz wichtig: Die meisten Dolmetscher, die ich kenne, arbeiten nicht nur in einer dieser Kategorien. Das heißt, dass es nicht den Gerichtsdolmetscher, oder den „Polizeidolmetscher“ gibt. Ihr Lohn setzt sich - wie bei anderen Freiberuflern auch - aus einer Vielzahl von unterschiedlichen Einsätzen zusammen. Das „Gehalt“ eines Dolmetschers hängt also stark davon ab, welche und wie viele Aufträge er bekommt und wie gut oder schlecht bezahlt diese jeweils sind. Die Berechnungen sollen zeigen, wie hoch die Honorare für Dolmetscher in den großen Kategorien in etwa ausfallen können.
Und das ist mir besonders wichtig: Sie sollen zeigen, welche festen Ausgaben eigentlich jeden Monat auf Freiberufler zukommen und, dass sich vermeintlich hohe Stundenlöhne oder Tagessätze der Dolmetscher schnell relativieren, wenn man sich Posten wie Altersvorsorge und Krankenkassenbeiträge anschaut. Außerdem schwankt die Auftragslage übers Jahr und ist natürlich auch von der allgemeinen Wirtschaftslage abhängig: Corona zum Beispiel hat viele Konferenzen platzen lassen. Das dürften viele Dolmetscher in diesem Jahr merken.
Steigen wir in die Berechnung ein: Wie viele bezahlte Arbeitsstunden hat ein Dolmetscher?
Gehen wir davon aus, dass man 18 Tage im Monat arbeitet. [365 Tage pro Jahr – 104 Wochenendtage – 10 Feiertage – 28 Urlaubstage – 5 Krankheitstage = 218 Tage pro Jahr = gut 18 Tage pro Monat].
Der Freiberufler kümmert sich um die Buchhaltung und Verwaltung selbst, man schreibt Angebote, man berät Kunden am Telefon, man muss sich um Versicherungen und das Marketing kümmern, man besucht Fortbildungen. Diese Fülle an unbezahlten „Nebentätigkeiten“ machen sicherlich 30-40 % der Zeit aus. Das wären ungefähr 6 Tage im Monat, an denen wir unbezahlt arbeiten. Macht 12 bezahlte Arbeitstage im Monat oder 24 bezahlte Wochenstunden.
Das können weniger sein, weil man terminlich Pech hat oder weil einfach weniger Aufträge reinkommen. Das können aber auch mehr sein, weil viele Dolmetscher auch Übersetzer sind und solche Lücken wiederum mit Übersetzungen füllen können.
Und dann wären da noch die festen Ausgaben, denn ohne IT-Ausstattung, Auto, Wörterbücher, spezielle Software usw. kommen wir natürlich nicht weit.
Monatlich können für Büro/Arbeitszimmer (Miete/Kredit/Heizung/Reparaturen etc.), Werbung (auch Erstellung und Pflege der Webseite), Geschäftliche Versicherungen (z.B. Vermögensschadenhaftpflichtversicherung, Betriebshaftpflicht), IT-Kosten (Software-Abos, Zubehör), Wörterbücher, Abschreibungen auf Sachanlagen wie Büromöbel, Computer, Laptop, Tablet, Handy, Drucker usw., Porto, Telefon- und Internet, Büromaterial, Fortbildungen, Steuerberatung (Erstellung des Jahresabschlusses) und Beiträge zu Berufsverbänden schnell 1000 € an fixen Ausgaben zusammenkommen.
Hinzu kommen die Krankenversicherung, Berufsunfähigkeitsversicherung und die Altersvorsorge. Es gibt zurzeit keine Vorsorgepflicht. Den Betrag für die Altersvorsorge kann man also auch reduzieren oder ganz herausrechnen. Ich nehme ihn mit auf, damit das Gehalt freiberuflicher Dolmetscher mit Angestellten vergleichbar bleibt. Die Höhe der Steuerzahlungen ist natürlich einkommensabhängig. Wir schauen uns gleich Beispiele in den einzelnen Kategorien an.
1. Die Gerichtsdolmetscher
Wer vor Gericht dolmetscht, hat in der Regel eine besondere Qualifikation für Rechtssprache erworben und sich vereidigen lassen. Gerichtsdolmetscher haben also einen Eid abgegeben, bei Gericht stets korrekt und wahrheitsgemäß zu „übersetzen“.
Bei Gericht kann konsekutiv oder simultan gedolmetscht werden. In der Praxis muss auch mal geflüstert oder vom Blatt übersetzt werden. Wir sehen, dass sich auch hier viele Dolmetscharten mischen.
Was verdient ein Dolmetscher bei Gericht?
Wird ein Dolmetscher direkt von einem Gericht geladen, wird nach JVEG abgerechnet. JVEG heißt Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz. Direkt geladen bedeutet, dass keine Agentur zwischengeschaltet ist, die ansonsten natürlich einen Teil vom Kuchen abhaben möchte.
Der Bundesverband der Dolmetscher und Übersetzer (BDÜ) setzt sich dafür ein, dass dieses Gesetz von Zeit zu Zeit angepasst wird. Zurzeit bekommt ein Dolmetscher 85,00 € pro Stunde.
Ich kenne Dolmetscher, die allein ihrer Sprachkombination wegen sehr viele Aufträge von den Gerichten bekommen. Für sie könnte also folgende Rechnung passen: 24 bezahlte Stunden pro Woche = 8.160 € pro Monat.
8.160 € Einnahmen pro Monat
- 1000 € feste Ausgaben
- 1500 € für Krankenversicherung und Altersvorsorge
- 1300 € Steuern
= 4.360 € Gewinn pro Monat
2. Dolmetschen für die Polizei
(Photo by Jonathan Kemper on Unsplash)
Dolmetscher, die freiberuflich für die Polizei arbeiten, sind nicht unbedingt vereidigt. Sie werden, einfach gesagt, angerufen, wenn Polizeibeamte mit jemandem sprechen müssen, der kein Deutsch spricht. Der Dolmetscher dolmetscht also zum Beispiel für Zeugen oder für Menschen, die festgenommen wurden. Verhöre finden nicht selten nachts oder zu später Stunde statt. Ich persönlich arbeite nicht für die Polizei, schon allein, weil mein Kopf nach 19 Uhr zu keinen größeren Denkleistungen mehr fähig ist.
Was verdient ein Dolmetscher bei der Polizei?
Wird ein Dolmetscher direkt beauftragt, bekommt er in der Regel weniger, als bei Gericht, denn nach JVEG wird meist nicht bezahlt.
Oft gibt es Rahmenverträge mit Agenturen, die selbst um die 50,00 € pro Stunde bekommen. Ist man also über eine Agentur bei der Polizei beschäftigt, bekommt man noch deutlich weniger.
Nehmen wir an, der Dolmetscher wird direkt gebucht und arbeitet ausschließlich für die Polizei:
24 bezahlte Wochenstunde x 50,00 € = 1200 € die Woche = 4.800 € im Monat
4.800 € Einnahmen pro Monat
- 1000 € feste Ausgaben
- 1400 € für Krankenversicherung und Altersvorsorge
- 500 € Steuern
= 1.900 € Gewinn pro Monat
Nehmen wir an, der Dolmetscher wird über eine Agentur gebucht und arbeitet ausschließlich für die Polizei:
24 bezahlte Wochenstunde x 35,00 € = 840,00 € die Woche = 3.360 € im Monat
3.360 € Einnahmen pro Monat
- 1000 € feste Ausgaben
- 700 € für Krankenversicherung und Altersvorsorge (sinken die Einnahmen, sinken auch die Krankenkassenbeiträge. Auch für die Altersvorsorge bleibt weniger übrig.)
- 200 € Steuern
= 1.460 € Gewinn pro Monat
Wahrscheinlich werden die festen monatlichen Ausgaben hier eher niedriger liegen. Es hängt sicher auch von der persönlichen Situation jedes einzelnen ab, wo das Minimum dessen liegt, was jeden Monat ausgegeben werden muss.
3. Konferenzdolmetscher in der freien Wirtschaft
(Photo by Lee Campbell on Unsplash)
Freie Wirtschaft bedeutet, dass der Dolmetscher hauptsächlich von Unternehmen beauftragt wird. Er dolmetscht Konferenzen oder Meetings, Vorträge oder Mitarbeiterschulungen, und das je nach Bedarf simultan oder konsekutiv.
Konferenzdolmetscher haben in der Regel ein spezielles Studium abgeschlossen, in dem man das simultane Dolmetschen und die Notizentechnik für Dolmetscher lernt.
Was verdient ein Konferenzdolmetscher?
Konferenzdolmetscher berechnen in der Regel Tageshonorare. Diese Honorare beinhalten auch die Vorbereitung, die je nach Konferenzthema auch mal einen ganzen zusätzlichen Tag in Anspruch nehmen kann. Kennt man sich mit dem Thema schon hervorragend aus, geht die Vorbereitung natürlich schneller. Es wird allgemein davon ausgegangen, dass die Anzahl der Konferenztage pro Jahr begrenzt ist. Denn da ist, wie gesagt, die Vorbereitung, da sind Tage für die Nachbereitung und Tage, an denen man sich um die Verwaltung und Buchhaltung kümmern muss.
Vielen Berechnungen (so auch der im Honorarspiegel des BDÜ von 2017) liegen in etwa 80 Arbeitstage pro Jahr zugrunde.
Der BDÜ schlüsselt die Tagessätze im Honorarspiegel viel detaillierter auf. Der Einfachheit halber nehme ich für meine Berechnung einen durchschnittlichen Tagessatz von 750,00 €.
80 x 750,00 €= 60.000 € /Jahr = 5.000 € / Monat
5.000 € Einnahmen/Monat
- 1000 € feste Ausgaben
- 1500 € für Krankenversicherung und Altersvorsorge
- 500 € Steuern
= 2.000 € Gewinn pro Monat
Auch hier gilt, dass viele Faktoren eine Rolle spielen: Je nach Sprachkombination und Erfahrung können es mehr oder weniger Arbeitstage sein. Viele Konferenzdolmetscher machen auch schriftliche Übersetzungen. Viele Dolmetscher bieten außerdem auch Honorarsätze für halbe Tage an. Das ist umstritten und viel diskutiert, aber doch die Realität.
4. Konferenzdolmetscher bei Institutionen wie der Europäischen Union
Die EU beschäftigt angestellte und freiberufliche Dolmetscher. Die Dolmetscher, die freiberuflich für die EU-Institutionen arbeiten, bekommen zurzeit in etwa zwischen 400 € und 500 € pro Tag, wobei ein Teil des Tagessatzes in einen Rentenfonds fließt und diese Beträge in Deutschland nicht mehr versteuert werden müssen.
Manche freiberufliche Dolmetscher setzen ausschließlich auf die EU-Institutionen als Haupt-Auftraggeber und ziehen deshalb oft auch nach Brüssel oder in die Nähe, z.B. nach Köln. Für viele freiberufliche Dolmetscher ist die EU allerdings - genauso, wie Gerichte oder Unternehmen, nur einer von vielen Auftraggebern.
5. Dolmetscher im Gemeinwesen - zum Beispiel beim BAMF
(Photo by Gabrielle Henderson on Unsplash)
Dem Dolmetschen im Gemeinwesen könnte man einen eigenen Blogeintrag widmen. Es ist eine Art Sonderfall. Gemeint ist mit „Gemeinwesen“ das Dolmetschen bei Behörden, im Gesundheitswesen, in Schulen, Vereinen und anderen Einrichtungen.
Aus den verschiedensten Gründen werden für das Dolmetschen bei Ärzten, in Krankenhäusern, aber auch bei manchen Behörden gar keine professionellen Dolmetscher eingesetzt. Es gibt sogar zahlreiche Städte und Kreise, die ganz offen für ihren Pool an ehrenamtlichen Sprachmittlern werben. Dort können sich Menschen eintragen lassen, die eine bestimmte Fremdsprache sprechen und die ehrenamtlich für Menschen dolmetschen, die Behördengänge zu erledigen haben oder einen Arzt aufsuchen müssen und eben selbst kein Deutsch sprechen.
Auf die grundsätzliche Problematik des Ganzen will ich hier gar nicht eingehen. Es bedeutet aber natürlich, dass wir bei Sprachmittlern, die für Städte, Kreise und Ämter gratis arbeiten, gar nicht erst anfangen müssen zu rechnen.
Für die Stellen, die sich nach dem JVEG, dem Justizvergütungs und – entschädigungsgesetz richten, gelten die Sätze, die im Absatz zum Dolmetschen bei Gericht schon genannt wurden. Dolmetscher, die im Gemeinwesen für diese Ämter arbeiten, können also in etwa das gleiche Gehalt erzielen.
Wie viel verdient ein Dolmetscher beim BAMF?
Auch für das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) arbeiten viele Menschen, die keine Ausbildung zum Dolmetscher haben. Das liegt natürlich auch an den Sprachen, die dort nachgefragt werden und für die man in Deutschland oft gar kein Studium machen kann. Und das liegt an der Masse an Dolmetschern, die theoretisch gebraucht würden, die es aber schlichtweg gar nicht gibt. Es werden also oft unausgebildete Sprachmittler eingesetzt, die ihr Gehalt individuell verhandeln.
Laut Süddeutsche Zeitung waren 2015 Stundensätze von 25,00 € bis 32,00 € üblich. Gehen wir von diesen Sätzen aus, ergibt sich im schlechtesten Fall: 24 bezahlte Wochenstunde x 25,00 € = 600,00 € die Woche = 2.400 € im Monat
2.400 € Einnahmen pro Monat
- 500 € feste Ausgaben (die bisher angenommenen festen Ausgaben von 1000,00 €/Monat sind hier nicht mehr möglich)
- 500 € Krankenversicherung und Altersvorsorge (sinken die Einnahmen, sinken auch die Krankenkassenbeiträge. Auch für die Altersvorsorge bleibt weniger übrig.)
- 150 € Steuern
= 1.250 € Gewinn pro Monat
Zwei Faktoren spielen außerdem eine entscheidende Rolle:
Wir sehen, dass die monatlichen Kosten, die über Miete, Essen usw. hinausgehen, nicht zu unterschätzen sind. Welche Aufträge ein Dolmetscher letztendlich bekommt und welche Kunden er gewinnen kann, hängt maßgeblich auch von der Sprachkombination und dem Berufswohnsitz ab.
Biete ich zum Beispiel Englisch, Französisch und Spanisch an und wohne in der Nähe von Brüssel, steigt meine Chance, regelmäßig Aufträge von den EU-Institutionen zu bekommen. Vorausgesetzt natürlich, ich bestehe den Eignungstest.
Wohne ich in Metropolregionen wie Berlin, Frankfurt am Main, Köln oder Düsseldorf, steigen vermutlich meine Chancen, für internationale Konferenzen gebucht zu werden. Wohne ich auf Langeoog oder im Schwarzwald, ist das wahrscheinlich schwieriger. In Grenzregionen ist oft auch der Bedarf für die Sprachen der jeweiligen Nachbarländer größer als anderswo in Deutschland, z.B. bei der Polizei und in der Wirtschaft.