Als Dolmetscher im Gefängnis
Hohe Mauern, viel Beton und Stacheldraht - an diesen Ort würde man wohl als letztes denken, wenn man sich überlegt, wo man als Dolmetscher so seinen Arbeitsalltag verbringt. Dabei ist das Dolmetschen in den Justizvollzugsanstalten in NRW für mich mittlerweile keine Seltenheit mehr.
Für wen arbeite ich dort?
In der Regel kontaktieren mich die Anwälte der Inhaftierten. Sie möchten mit ihren Mandanten sprechen und brauchen dazu nicht selten einen Dolmetscher. 32% der Gefangenen sind einer Statistik des Justizportals NRW zufolge ausländischer Herkunft.
Manchmal werden Dolmetscher auch für eine Besuchsüberwachung gebraucht. Wenn der Gefangene sich noch in Untersuchungshaft befindet und zum Beispiel sichergestellt werden soll, dass er keine Informationen austauscht, die den Fall betreffen.
Bezahlt wird der Dolmetscher aus der Staatskasse.
Wie auch für Einsätze bei Gericht muss der Dolmetscher vereidigt sein, um in der JVA dolmetschen zu dürfen. Er braucht außerdem eine Besuchserlaubnis.
Wie läuft so ein Termin in der JVA ab?
Personalausweis und Vereidigung müssen vorgelegt werden. Die Taschen werden eingeschlossen, das Handy abgegeben, es folgt eine Körperkontrolle. Nach einer kurzen Wartezeit wird man in einen Besuchsraum geführt, in dem das Gespräch stattfindet.
Die Gespräche zwischen Anwalt und Gefangenem finden in der Regel in der Untersuchungshaft statt. Das bedeutet, dass die Inhaftierten ihren Prozess noch vor sich haben. Einige Monate auf die Verhandlung zu warten ist üblich. Die Gefangenen sind von der Familie getrennt und manchmal weit weg vom Heimatland, was die Gespräche oft zu einer emotionalen Sache macht.
Zwischen Kiefernharz und Strafausschließungsgrund
Die Ausführungen der Inhaftierten sind häufig chaotisch, oft emotional und manchmal einfach unverständlich. Die Schwierigkeit liegt also darin, diese Aussagen sinnvoll rüberzubringen, ohne dabei etwas hinzuzudichten, weil es sich logisch anhört.
Oft müssen spontan juristische Schreiben vom Blatt übersetzt werden - es kommt vor, dass die Inhaftierten ein Rechtssystem als solches gar nicht kennen - in dem Fall sind juristische Erklärungen besonders schwierig.
Inhaltlich kann es theoretisch um alles gehen - zu meinem Erstaunen landete das Gespräch mit einem Mandanten aus Äquatorialguinea plötzlich bei der Kiefernharz-Ernte.
Ich blogge regelmäßig zum Thema Dolmetschen, Übersetzen und Fremdsprachen. Hier geht's zu meinen anderen Blogeinträgen!